Diese vom Kanadier Colonel P.D. Baird geleiteten wissenschaftlichen Expeditionen wurden vom Arctic Institute of North America, Montreal, in Zusammenarbeit mit unserer Stiftung organisiert und durchgeführt. Ziel und Aufgabe der Unternehmungen waren hauptsächlich glaziologische Untersuchungen. Im Zusammenhang damit wurden auch meteorologische, geologische, botanische und zoologische Beobachtungen gesammelt sowie topographische und kartographische Aufnahmen gemacht. Obwohl die Expeditionen in erster Linie der wissenschaftlichen Forschung dienten, wurden dabei auch bergsteigerische Resultate erzielt.
Baffin Island, auf deutsch Baffinland, ist eine der grössten Inseln der Erde. Mit ihren 540’000 Quadratkilometern ist sie gut 13 mal so gross wie die Schweiz. Sie befindet sich mit ihrer ganzen Ausdehnung in der Polarzone. Politisch gehört sie seit 1896 zu Kanada. Ihre ganze Bevölkerung besteht aus schätzungsweise 200 Eskimos, die an der Küste in kleinen Gruppen vom Seehundsfang leben. Auch Jagd auf Weissfüchse wird der Pelze wegen betrieben. Die Insel wurde bisher nur von wenigen Weissen betreten. Heute leben in einigen Küstensiedlungen zwischen 100 und 200 Weisse.
Expedition 1950
Die Expedition zählte insgesamt 20 Teilnehmer. Neben Kanadiern, US-Amerikanern, Engländern, Norwegern und Finnen nahmen folgende drei Schweizer daran teil: Hans Röthlisberger, Franz Elmiger und Hans Rudolf Mülli. Alle drei waren tüchtige Alpinisten und junge Wissenschaftler, Angehörige der ETH und der Zürcher Universität. Sie waren in erster Linie als Bergsteiger verpflichtet, doch übernahmen sie auch wissenschaftliche Aufgaben.
Alle Teilnehmer der Expedition trafen sich im Mai 1950 in Montreal, von wo sie sich gemeinsam nach Baffin Island begaben.
Die schweren Ausrüstungsgegenstände waren schon im Sommer des Vorjahres auf dem Seeweg befördert worden. Die Royal Canadian Air Force besorgte den Lufttransport der Teilnehmer und der Ausrüstung bis zur Siedlung Clyde. Das Arctic Institute of North America stellte ein Spezialflugzeug zur Verfügung, das je nach den Verhältnissen auf Rädern, Skiern oder Schwimmern starten und landen oder wassern konnte und das die Teilnehmer, die sich in verschiedene Gruppen aufgeteilt hatten, in ihre Forschungsgebiete brachte, die in der Region des Clyde Fjord und im Innern, auf dem Barnes Ice Cap, lagen.
Dem Originalbericht der drei Schweizer in Berge der Welt (Bd.VI, 1951) ist eine Zusammenstellung der Besteigungen angefügt, die nicht weniger als 15 Erstbesteigungen und Traversierungen aufzählt, die zwischen dem 24. Mai und dem 28. August meist gemeinsam ausgeführt worden sind. Auch zwei «Gäste», der Amerikaner Ritchie und der schottische Gelehrte Wynne-Edwards, hatten sich ihnen einige Male angeschlossen. Manche von diesen Besteigungen boten nicht geringe Schwierigkeiten. Was ihre scheinbar geringe Höhe anbetrifft, ist zu bedenken, dass der Ausgangspunkt nicht viel über Meeresniveau lag. Wir erwähnen davon die wesentlichsten: Walrus Head (1450 m), Three Sisters (1480 m), Lake Peak (1800 m), Crystal Peak (1550 m), Wave Crest (1750 m), Broad Peak (1820 m), Cracked Peak (1650 m), Cock’s Comb (1620 m).
Als wissenschaftliche Ausbeute brachte unsere schweizerische Equipe eine ansehnliche Sammlung von Gesteinen, Pflanzen und Tieren mit, deren wissenschaftliche
Auswertung längere Zeit beanspruchte, ferner ein reiches dokumentarisches Photomaterial, zum Teil in Farben.
Expedition 1953
An dieser zweiten Baffinland-Expedition nahmen, wiederum unter der bewährten Leitung von Colonel P. D. Baird, weitere sieben Kanadier und vier Schweizer teil: Hans Röthlisberger, Jürg Marmet, F. H. Schwarzenbach und Jean Weber.
Ziel und Aufgaben der Expedition waren im wesentlichen die gleichen wie 1950, doch war diesmal als Arbeitsgebiet die Cumberland-Halbinsel im Osten von Baffinland ausgesucht worden, ein Gebirgsland mit kühn geformten Felsgipfeln und Plateaugletschern, von einer durchschnittlichen Meereshöhe von 2000 Metern. Die Expedition war wieder vorwiegend ein wissenschaftliches Unternehmen, bot aber gleichzeitig prächtige alpinistische Möglichkeiten.
Nach dem von Colonel Baird ausgearbeiteten Plan sollte festgestellt werden, ob auf der Höhe des Penny Ice Cap ein Firngebiet bestehe. Hier sowie an verschiedenen Stellen des typischen, zur Küste abfliessenden Highway-Gletschers sollten Eisdicke und Strömungsgeschwindigkeit gemessen und das Gebiet des Pangnirtung-Passes geomorphologisch untersucht werden. Nach den Fähigkeiten und den besondern Interessen der Wissenschaftler sollte das Gebiet auch geologisch, botanisch und zoologisch bearbeitet werden. Für die Ausführung dieses Programms standen die Monate Mai bis August zur Verfügung.
Die Aufgaben, die unsern vier Schweizern gestellt waren, erforderten eine mühevolle Arbeit in schwierigem Gelände eines unerforschten Gebirgslandes unter polaren, das heisst ungewöhnlich harten Wetterverhältnissen. Unter der erfahrenen Leitung von Hans Röthlisberger vom Institut für Geophysik der ETH wurde ein Arbeitsprogramm seismischer Messungen der Eisdicke durchgeführt, das durch geologische und glaziologische Beobachtungen ergänzt wurde. F. H. Schwarzenbach vom Botanischen Institut der Universität Zürich bearbeitete botanische, zoologische und morphologische Fragen, und Jürg Marmet vom Institut für Hygiene und Arbeitsphysiologie der ETH machte physiologische Beobachtungen. Alle vier Teilnehmer waren ausserdem erprobte Alpinisten. Soweit es ihre wissenschaftlichen Arbeiten, die den Vorrang hatten, erlaubten, boten Erkundungen und Besteigungen in völligem Neuland eine besonders reizvolle Aufgabe.