Ein Aussenstehender mag Mühe haben, zwischen der modernen Laboratoriumswissenschaft der Molekularbiologie und der Stiftung für Alpine Forschung einen Zusammenhang herzustellen. Und doch passt die Geschichte eines Forschungs des Molekularbiologischen Institutes der ETH in Zürich wie kaum eine andere Aktion in den besonderen Arbeitsstil der Stiftung.
Seit langem schon war bekannt, dass in heissen Quellen Islands primitive Lebewesen vorkommen, die hohe Temperaturen ertragen. Diese alte Erfahrung gewann plötzlich an Aktualität, als durch die Fortschritte in der Raumfahrt die Frage nach den Anfängen des Lebens auf unserm Planeten neu gestellt wurde.
Jedermann weiss, dass durch Pasteurisierung die Milch an Haltbarkeit gewinnt, weil eine kurzfristige Erwärmung die Milchsäurebakterien abtötet. Nach Erfahrung der Biochemiker werden die meisten eiweisshaltigen Fermente der Zellen bei Erhitzung über 50 Grad zerstört. Thermoresistente Bakterien und Blaualgen, die Temperaturen von mehr als 60 Grad aushalten, sind daher vermutlich Träger unbekannter Stoffwechselenzyme. Auf Anregung von Prof. Herbert Zuber vom Molekularbiologischen Institut der ETH rüstete die Stiftung für Alpine Forschung eine Kleinexpedition zur Sammlung wärmeresistenter Lebewesen in den heissen Quellen Islands aus. Mit einem als Feldlabor eingerichteten Landrover fuhren die beiden Studenten Peter Locher und Andres Binder im Frühjahr 1969 nach Kopenhagen, schifften sich zur Überfahrt nach Reykjavik ein und schlugen ihre Zelte an den heissen Quellen der isländischen Hauptstadt auf.
Die physikalischen, chemischen und mikrobiologischen Untersuchungen der Quellen in Verbindung mit der Vermessung und der Kartierung der Quellenstandorte lieferten im Verlaufe des Sommers 1969 ein reiches Datenmaterial, dessen Wert vor allem in der unmittelbaren Vergleichbarkeit der einzelnen Befunde liegt.
In den heissen Quellen wurden eine ganze Reihe verschiedenartiger Lebewesen gefunden. Die Aufmerksamkeit der jungen Forscher galt vor allem einer massenhaft auftretenden Blaualge, die in bestimmten Quellen praktisch in Reinzucht vorkommt. Um möglichst viel Algenmaterial für biochemische Laboruntersuchungen zu gewinnen, bauten sie nach erfolgreichen Vorversuchen an Ort und Stelle eine Zuchtanlage auf, die nach ihrer Abreise von einem Isländer weiterbetrieben wurde. In regelmässigen Flugpostsendungen wurden die gezüchteten Blaualgen in Quantitäten von Kilogrammen nach der Schweiz verfrachtet.
Im Frühjahr 1970 unternahmen die beiden Studenten Andres Binder und Peter Locher erneut eine kurze Reise nach Island, um die während des Winters eingestellte Algenzucht wieder in Schwung zu bringen und einige ergänzende Untersuchungen vorzunehmen. Mit der Organisation und Ausrüstung der Rekognoszierungsexpedition wurde ein umfangreiches biochemisches und molekularbiologisches Forschungsprogramm eingeleitet.